Viele Bürger in Freiimfelde lehnen das geplante 7 Hektar große Solarfeld der EnBW ab. Im Bauausschuss kam es am Dienstag zu heftigen Zwischenrufen und Applaus aus dem Publikum.
Merseburg, 12.11.2025. Der Plenarsaal ist voll an diesem Dienstagabend dem, 11.11.2025. Rund 46 Bürgerinnen und Bürger drängen in die Sitzung des Bauausschusses – so viele wie seit Jahren nicht mehr. Eilig werden zusätzliche Stühle aufgestellt, um allen Platz zu bieten. Der Grund für das große Interesse: In Freiimfelde plant die EnBW auf einer 13,5 Hektar großen Fläche eine Photovoltaikanlage samt Energiespeicher.
„Ist es notwendig, diese Fläche zu bebauen?“
Roland Ulrich wohnt direkt am Feldrand. Er ist einer derjenigen, die sich gegen das Vorhaben stellen. „Die Anwohner sind mehrheitlich gegen den Bau des Photovoltaikfeldes“, sagt er im Gespräch mit Merseblatt. „Aus meiner Sicht würde dadurch auch wieder Boden unbrauchbar gemacht, denn es müssten kleine Fundamente in den Boden eingebracht werden, worauf dann die Pfähle für die Solarplatten kommen.“ Auch dass ein Energiespeicher auf dem Feld gebaut werden soll, der die erzeugte, aber nicht genutzte Energie aus dem Solarfeld zwischenspeichern wird, sehe er kritisch. Er frage sich zudem auch, ob die Stadt sich dadurch nicht mehr Pachteinnahmen verspricht als jetzt, wo das Feld an einen Landwirt verpachtet wird, der darauf unter anderem Getreide oder Sonnenblumen anbaut. „Ist es notwendig und sinnvoll, diese Fläche mit Solar zu bebauen und damit eine weitere landwirtschaftliche Nutzfläche unbrauchbar zu machen?“ Fragt Ulrich im Gespräch.
Zwischenrufe und gereizte Stimmung
Bereits kurz nach Beginn der Sitzung kommt es zu Unruhe im Saal. Ausschussvorsitzender Kreisel (CDU) weist darauf hin, dass Fragen zu Themen der Tagesordnung nicht in der Einwohnerfragestunde, sondern erst beim jeweiligen Punkt gestellt werden dürfen. Das sorgt für Empörung. Zwischenrufe hallen durch den Saal: „Das ist ja wie in der DDR“ und „Ihr wollt uns mundtot machen!“. Die Stimmung ist angespannt, erst nach einigen Minuten kehrt Ruhe ein.
Verwaltung erklärt Planungsverfahren
Als der Punkt 2.6 – Beschluss über die Aufstellung des Bebauungsplans Nr. 70 Sondergebiet „Solarpark Merseburg Nord“ aufgerufen wird, richtet sich der Blick auf den Oberbürgermeister. Sebastian Müller-Bahr (CDU) zeigt sich beeindruckt von der großen Beteiligung. So viele Bürger habe er in einem Ausschuss noch nie erlebt, sagt er und bedankt sich ausdrücklich für das Interesse. Der Beschluss diene dazu, zu prüfen, ob ein neuer Bebauungsplan aufgestellt werden soll – und eröffne so auch die Möglichkeit der Bürgerbeteiligung.
Herr Drießen, der Leiter des Stadtentwicklungsamts, erläutert im Detail den aktuellen Stand. Der gültige Bebauungsplan stamme aus dem Jahr 1994 und sehe bereits eine Nutzung der Fläche für Photovoltaik vor. Sie gelte als „privilegierte Fläche“. Das habe der Stadtrat auch im Jahr 2023 nochmal bestätigt.
Eine Änderung des bestehenden Plans sei zu aufwendig. Eine Neuaufstellung und Überplanung des bestehenden B-Planes ermögliche hingegen eine Neubewertung und die Einbeziehung aller Betroffenen. Laut Drießen will die EnBW nur rund sieben Hektar der Gesamtfläche tatsächlich bebauen.
Kontroverse Wortmeldungen und Applaus
Aus den Reihen der AfD kommt Kritik. Ausschussmitglied Plack vermutet, dass mit der Neuaufstellung des Plans Fakten geschaffen werden sollen – Applaus bekommt er dafür aus dem Publikum.
Herr Drießen verweist aber in dem Zusammenhang nochmal auf den bereits bestehenden Bebauungsplan und führt aus, dass es jetzt schon möglich sei, die Fläche mit Photovoltaik zu bebauen und widerlegt so die Aussage von Plack.
Ausschussmitglied Abitzsch erklärt, die Anlage würde nur etwa sechs Prozent der Jahresleistung erbringen, er kenne sich als Elektroingenieur damit aus, und sie könne sich im Sommer auf bis zu 80 Grad Celsius erhitzen. Dadurch entstünde Thermik, die Insekten schädige, weil diese nicht davonfliegen könnten. Und ohnehin verdient der Betreiber nur durch die Fördermittel.
Ausschussmitglied Turré (SPD) widerspricht: Die Technik habe sich stark weiterentwickelt, und Insekten würden dadurch nicht gefährdet. Zudem verweist er auf betriebswirtschaftliche Zusammenhänge und widerlegt so die Aussage von Abitzsch deren berufliche Expertise in den 90er Jahren endete, so Turré . Seine Worte lösen Buhrufe aus den Reihen der Zuhörer aus.
Fragen zu Pacht und Einnahmen
Dann darf Roland Ulrich seine Fragen stellen. Er erkundigt sich nach der Höhe der Pachteinnahmen und dem erwarteten Ertrag aus der geplanten Verpachtung an EnBW. Der Oberbürgermeister erklärt, dass die Stadt derzeit nur wenige Euro jährlich aus der landwirtschaftlichen Nutzung erhalte. Wie viel künftig von EnBW gezahlt werde, sei noch offen, denn darüber habe man sich noch nicht unterhalten. Sicher sei, dass die Stadt 0,2 Cent pro erzeugter Kilowattstunde aufgrund der EEG-Abgabe erhalte, die – wie bereits jetzt – in Projekte wie Spielplätze und den Tierpark fließt.
Nach einer intensiven Diskussion folgte die Abstimmung. Der Ausschuss beschließt mit sechs Ja-Stimmen, einer Enthaltung und vier Gegenstimmen die Aufstellung des Bebauungsplans. Das Thema dürfte die Stadt Merseburg und ihre Bürger also noch länger beschäftigen.
Foto: Enrico Sempert

















